Doron Wisotzky: Der Frankfurter Autor hinter „Achtsam Morden“

Seine ersten Kinodrehbücher schrieb Doron Wisotzky gleich für zwei Filme von Matthias Schweighöfer. Der gebürtige Frankfurter hat sich auf Komödien spezialisiert und schon mehrfach dabei die Mainmetropole in Szene gesetzt. Aktuell sorgt er dafür, dass zahlreiche Netflix-Abonnenten sich über achtsame Morde amüsieren.
Bis kurz vorm Interviewtermin war Doron Wisotzky gedanklich noch in der Welt des Mafia-Anwalts Björn Diemel unterwegs, der gleich mehrere Morde auf dem Gewissen hat. Dieses drückt ihn aber nur wenig, dank der Methoden seines Achtsamkeitcoaches. „Achtsam Morden“ heißt die Netflix-Serie, für die der Frankfurter mit seinem Team aktuell die Drehbücher schreibt. Die erste Staffel war so erfolgreich, dass sie in 66 Ländern in den Charts stand. Der Streaming-Anbieter hat daher gerade eine zweite Staffel angekündigt und Wisotzky fest eingekauft. Seit letztem Jahr ist er als Autor bei Netflix unter Vertrag.
„Der erste Wurf der Drehbücher ist da“, verrät Wisotzky, der als Headautor wieder für die filmische Umsetzung der gleichnamigen Kriminalromane von Karsten Dusse zuständig ist. Doch bis in diesem Jahr tatsächlich gedreht werden kann, liegt noch viel Arbeit vor dem Team. Vielleicht 30 bis 40 Prozent seiner Tätigkeit mache die erste Fassung aus, schätzt er.
„Der Hauptjob ist das Überarbeiten. Man liest das Drehbuch selber nochmal und merkt, an welchen Stellen es noch nicht funktioniert. Das ist ein andauernder Prozess. Und dann kommen die Anmerkungen des Development Teams hinzu. Die sind inhaltlich sehr wichtig und bringen das Projekt voran, aber bedeuten auch viele Überarbeitungen. Da muss man einen langen Atem haben. Es ist eher ein Marathon, den man da läuft.“ Denn es entwickeln viele Köpfe mit, um einen Serienerfolg wie diesen hinzulegen.

Bereits bei der Entwicklung der ersten Staffel saßen die Autoren mit der Regie, dem Produzenten-Team und dem Hauptdarsteller Tom Schilling an einem Tisch. Dieser hatte das Projekt schon aufgrund der Krimis zugesagt und konnte sich so ebenfalls in die Drehbuchentwicklung einbringen. Immer wieder bekamen alle die aktuellste überarbeitete Fassung und gaben weitere Anregungen.
Die größte Herausforderung bei der Umsetzung eines Romans sei es, die inneren Monologe der Hauptfigur in Bilder und Szenen umzusetzen, erläutert Wisotzky. „Jedes Teammitglied setzt zudem eigene Schwerpunkte und markiert auch mal unterschiedliche Passagen des Romans, die unbedingt ihren Weg in die Drehbücher finden sollten. In der Zusammenarbeit geht es jedoch in erster Linie darum, eine gemeinsame Vision zu entwickeln.“ Darüber hinaus sei es sehr schwierig, den Ton eines Romans in den Drehbüchern richtig zu treffen. Und das ist entscheidend, damit die Zuschauer, die den Roman schon kennen, nicht am Ende das Gefühl haben, dass dieser ganz anders ist als die Verfilmung.
Natürlich wird auch bei einem solchen Projekt unter Zeitdruck gearbeitet. Bei diesen Serien stehe der Drehtermin in der Regel fest, verrät der Autor. „Für „Achtsam Morden“ hatten wir etwa ein Jahr, um die Drehbücher für die acht Folgen fertigzustellen. Das ist schnell. Ich hatte auch schon Kinofilme, bei denen ich sieben Jahre an einem Drehbuch gearbeitet habe, bei anderen aber auch nur ein halbes Jahr. Beim Film ist alles möglich, je nachdem, ob das Projekt finanziert ist, die Förderung zugesagt wurde oder ob der Hauptdarsteller unterschrieben hat.“
Doron Wisotzky: Plötzlich AutorMit großen Kinofilmen hat Doron Wisotzky, der in Bad Nauheim aufwuchs, einst angefangen. Und das noch während er die Hochschule für Fernsehen und Film in München besuchte. Ein befreundeter Regisseur, für den er beim Tatort als Regieassistent arbeitete, schrieb ihm eines Tages eine E-Mail. Er werde den Schauspieler und Regisseur Matthias Schweighöfer treffen, der einen Drehbuchautoren für einen Film suche, stand darin. „Er fragte, ob ich nicht dazu kommen wolle. Die E-Mail habe ich noch heute. Sie hing kurzzeitig sogar bei mir an der Wand“, erinnert sich dieser. Denn natürlich ging er hin. Und die Chemie zwischen den beiden fast Gleichaltigen stimmte sofort. Der Rest ist Geschichte.
„Ich bin von 0 auf 100 gestartet. What a Man war eine wahnsinnige Chance, die ich unbedingt nutzen wollte. Ich habe alles darangesetzt, dass es wirklich ein gutes Buch wird.“ – Doron Wisotzky
Wisotzky schrieb das Buch zu „What a Man“, der 2011 zum Publikumserfolg wurde. Es war nicht nur Schweighöfers Durchbruch als Regisseur deutscher Komödien, sondern auch Doron Wisotzkys als Autor. „Ich bin von 0 auf 100 gestartet. Es war eine wahnsinnige Chance, die ich unbedingt nutzen wollte. Ich habe alles darangesetzt, dass es wirklich ein gutes Buch wird. Ich hatte auf der Uni schon das Handwerk gelernt, aber es war mein erstes Projekt in einem professionellen Umfeld.“
Drehort FrankfurtDas Drehbuch entwickelte er mit Schweighöfer gemeinsam. Dass die Geschichte in Frankfurt spielen würde, lag nahe. „Die ersten Seiten sind in der Wohnung von Marco Beckmann, Schweighöfers Partner in seiner Produktionsfirma, entstanden, der auch Frankfurter ist. Es hat also alles in Frankfurt angefangen, und es ist bis zum Ende Frankfurt geblieben, auch dank der Förderung.“ Die Hessen Invest unterstützte den Film damals mit einer halben Million Euro. Allen Beteiligten habe aber auch auf Anhieb der Metropolencharakter der Stadt gefallen, „die sehr filmisch ist, weil es verschiedene Ecken gibt, in denen man ganz unterschiedliche Geschichten erzählen kann.“

Parallel zu den Dreharbeiten für „What a Man“ arbeitete Wisotzky bereits am Buch für Schweighöfers nächsten Film „Schlussmacher“. Die Idee einer Trennungsagentur stammte von einem befreundeten Produzenten und sie zündete sofort bei Autor und Regisseur. Knapp eineinhalb Jahre später kam der Film in die Kinos. „Es war bis heute mein erfolgreichster Kinofilm, mehr Zuschauer habe ich seitdem im Kino nie wieder erreicht.“
Seine Besetzung vor AugenDie fruchtbare Zusammenarbeit mit Matthias Schweighöfer endete allerdings auch mit diesem Erfolg. Beim Drehbuch zu „Vaterfreuden“ arbeitete er noch als Dramaturg mit. Doch die Constantin Film Produktionsgesellschaft verpflichtete ihn bald exklusiv als Autor. Eine weitere Zusammenarbeit schloss sich daher aus, weil Schweighöfer bei Warner Bros. unter Vertrag stand. Wisotzky schrieb weitere Bücher, etwa für „Halbe Brüder“, ein Roadmovie mit dem Rapper Sido und Fahri Yardim in den Hauptrollen, das ebenfalls zum Teil in Frankfurt spielt.
Und schließlich für Sönke Wortmanns Film „Contra“, der auf einem französischen Spielfilm basiert. In der Geschichte über eine marokkanischstämmige Studentin, die Jura studiert und sich mithilfe eines rassistischen Professors auf einen Rhetorik-Wettbewerb vorbereitet, spielt die Goethe-Universität mit dem I.G.-Farben-Haus am Campus Westend fast schon eine Hauptrolle. Das Gebäude von Hans Poelzig mit dem Eingang und der Rotunde werden darin werbewirksam in Szene gesetzt. „Wir waren uns alle einig, dass der Film in einer Großstadt spielen muss, die Frage war in welcher“, erinnert sich Doron Wisotzky. „Alle haben sofort gesagt, er gehört nach Frankfurt.“
Er habe beim Schreiben nicht nur seine Heimatstadt, sondern auch schon Christoph Maria Herbst in der Figur des Professor Pohl im Kopf gehabt. „Ich habe immer ein Gesicht vor Augen, wenn ich schreibe, quasi meine eigene Besetzung. Aber in diesem Fall stand Christoph Maria Herbst schon fest.“
Seine Stimme findenEin Buch für einen Kinofilm zu schreiben sei anders als für eine Serie, macht der Autor deutlich. Bei einer Serie stecke sehr viel Arbeit in der Struktur. „Man braucht für jede der Folgen am Ende einen Cliffhanger.“ Bei 30 Minuten Sendezeit fallen da auch schon mal Szenen weg oder werden in die nächste Folge geschoben. „Wenn es am Ende aufgeht, hat man richtig viel gearbeitet. Es fördert aber auch die Kreativität, immer passende Lösungen zu finden.“
„Ich finde, ich habe den schönsten Job der Welt, ich kann mir Geschichten ausdenken und andere Menschen erreichen.“ – Doron Wisotzky
Die Begeisterung für das Schreiben ist Doron Wisotzky anzumerken. „Ich finde, ich habe den schönsten Job der Welt, ich kann mir Geschichten ausdenken und andere Menschen erreichen.“ Angebote, selbst Regie zu führen, hat er dafür meist ausgeschlagen. Er gibt aber sein Handwerk gerne weiter. Seit 2013 erläutert er den Studierenden der Münchner Filmhochschule, an der einst selber lernte, die Grundlagen seines Berufs. „Es geht immer darum, seine eigene Stimme zu finden.“
Er selber sei dort angekommen, wo er immer hin wollte, stellt Wisotzky fest. Schon als Jugendlicher in Bad Nauheim, wo alle von der Oscarpreisträgerin Caroline Link als lokale Berühmtheit sprachen. Und spätestens, als er bei der Frankfurter Produktionsfirma Neuzeitfilm auf der Hanauer Landstraße eine Ausbildung zum Medienkaufmann machte. „Damals fing ich an, erste Texte zu schreiben, und die Chefin fand sie richtig gut. Da wurde meine Leidenschaft geweckt.“

Heute schreibt er parallel an drei Projekten, liefert für eines noch das Buch zum Pilotfilm, für das andere ein Exposé. Er konnte sich, obwohl auf Komödie spezialisiert, auch schon im Fantasy-Genre ausprobieren. Der Film „Hagen – Im Tal der Nibelungen“, bei dem er zum Autorenteam gehörte, lief im vergangenen Oktober im Kino und soll als Serie dieses Jahr auf RTL+ veröffentlicht werden.
Doch bei „Achtsam Morden“ habe er das Gefühl, dass er seine Stärken richtig ausspielen könne, stellt er fest. „Es ist ein Humor, der mir selber gut gefällt.“ Ob er auch an Büchern für eine dritte Staffel arbeiten wird, kann Doron Wisotzky noch nicht sagen. „Das hängt von den Zuschauern ab, und davon, ob die zweite Staffel so gut ankommt wie die erste. Wir haben aber den Ehrgeiz, die Bücher so toll zu entwickeln, dass es ihnen gefällt.“
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